Endlich LOSFAHREN! Saudi Arabiens Frauen dürfen bald selber Auto fahren

Wenn im Juni 2018 die saudi-arabischen Frauen erstmals in der Geschichte selber Autofahren dürfen, dann haben sie diesen Umstand zu einem großen Teil Manal al-Sharif- zu verdanken. Denn sie setzte sich – als Zeichen für die Gleichstellung von Mann und Frau – ans Steuer, filmte sich dabei selbst, stellte das Video auf Youtube und wanderte dafür ins Gefängnis. Nur der Druck der Öffentlichkeit schaffte es, dass sie nach 9 Tagen wieder entlassen wurde.

Manal al-Sharif ist eine der wichtigsten Vorkämpferinnen für Frauenrechte in der islamischen Welt. Sie studierte in den USA und lebt heute mit ihrem zweiten Ehemann in Australien. Die Tatsache, dass sie ihren Sohn aus erster Ehe in Saudi Arabien beim Ex-Mann zurücklassen musste, war der Preis dafür, den sie für ihr Aufbegehren zahlen musste. Wie sie in einem Interview mit Markus Lanz erzählte, wird sie demnächst nach langer Zeit wieder nach Saudi Arabien einreisen können und ihren dort lebenden Sohn wieder sehen. In der Zwischenzeit bekam sie mit ihrem zweiten Mann ein weiteres Kind, das sie auf die Reise mitnehmen wird, damit sich die beiden Halbbrüder erstmals in ihrem Leben kennenlernen können.

In ihrem Buch LOSFAHREN erzählt Manal al-Sharif ihre bewegende und hochinteressante Geschichte (Quelle: secession-verlag):

Manal al Sahrifs aufregende und offene erzählte Lebensgeschichte ist beides, ein Dokument der Unterdrückung und der Befreiung. Als letztes Land der Erde verbietet Saudi-Arabien  den Frauen das Autofahren. Ein Gesetz gibt es nicht, nicht einmal eine religiöse Begründung. Es ist eine Frage der Macht in einer Gesellschaft, in der Frauen weitgehend rechtlos sind und für alle wichtigen Lebensentscheidungen einen männlichen Vormund brauchen, gleichgültig, ob es der Ehemann, der Vater oder der kleine Bruder ist.

Manal al-Sharif hat dieses Vormundschaftssystem und damit die Männer herausgefordert: Die Computerexpertin war es leid, ihren Bruder fragen zu müssen, wenn sie in ihrem eigenen Wagen zu einem Geschäftstermin gefahren werden wollte. Sie setzte sich selbst ans Steuer, ließ sich dabei filmen und stellte dieses Dokument des zivilen Ungehorsams ins Internet. Neun Tage saß sie dafür im Gefängnis. Und es wären wahrscheinlich viele mehr gewesen, wenn nicht ein weltweiter Proteststurm sie befreit hätte. Losfahren erzählt aus erster Hand von diesem Aufstand im Auto, mit dem Manal al-Sharif eine Frauenbewegung in Gang setzte, die den Gralshütern des Patriarchats im Königreich immer mehr zu schaffen macht.

Aber ist viel mehr als das. Selten gab ein Buch so tiefe Einblicke in den streng geregelten Alltag einer saudischen Familie. Offen und eindringlich schildert Manal al-Sharif ihre Kindheit und Jugend, in der sie auf dem Weg war, eine vom Salasfismus beeinflusste radikale Muslima zu werden, die das Elternhaus von »unreiner« Musik säuberte und sogar die Musik-Kassetten ihres Bruders im Ofen einschmolz. Die Helden dieser Generation waren die islamistischen Extremisten wie Osama bin-Laden, die Vorläufergeneration des heutigen Terrors, die den nach ihrem Verständnis zu liberalen Staat auf ihre Weise herausforderten. Am eigenen Leib erlebt Manal al-Sharif die Widersprüchlichkeit des in wenigen Jahrzehnten zu immensem Reichtum gelangten Landes. Trotz bester Schulnoten wurde sie zu Hause immer wieder verprügelt, sie wurde als kleines Mädchen beschnitten, sie musste um ihren Platz an der Uni kämpfen, wo sie getrennt von männlichen Kommilitonen unterrichtet wurde, und als sie bei der staatlichen Ölfirma Aramco gemeinsam mit Männern in einem Büro arbeitete, wurde sie als Flittchen beschimpft. Nach ihrem öffentlichen Protest gegen die Unterdrückung von Frauen musste Manal al-Sharif ihre Stelle wegen endloser Anfeindungen aufgeben und ins benachbarte Dubai auswandern. Mit ihrem fortgesetzten Engagement für Menschenrechte will sie den Frauen ihres Heimatlandes Mut machen, für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen: »Ich glaube, dass Kinder nicht frei sein können, wenn ihre Mütter nicht frei sind, Eltern können nicht frei sein, wenn ihre Töchter es nicht sind, Ehemänner können nicht frei sein, wenn ihre Ehefrauen es nicht sind, die Gesellschaft ist nichts wert, wenn Frauen nichts wert sind. Wir kämpfen nicht darum, Auto zu fahren, wir kämpfen darum, unser Schicksal in die Hand nehmen zu können.«  Hier ist ein Interview mit Manal al-Sharif zu ihrem Buch.

Foto: http://www.abc.net.au

 

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